Ich muss Euch erst einmal etwas gestehen: Dieser Beitrag ist zwar in der Rubrik „Für Euch gelesen“ veröffentlicht, aber ich habe es nicht getan. Das ganze, 586 Seiten lange Skript gelesen, meine ich. Seit 2003 veröffentlicht Professor Dr. Thomas Hoeren das PDF „Internetrecht“ zum kostenlosen (!) Download auf der Website der Uni Münster. Zwei Mal im Jahr gibt es eine Aktualisierung. Die Fassung vom Oktober 2015 liegt nun vor.
Wir alle wissen, was Fachbücher kosten. Warum also dieses so wertvolle Angebot ‚für umsonst‘? Hoeren begründet es mit dem immensen Aktualisierungsbedarf und schreibt, menschlich-sympathisch: „Die Fülle des Rechtsgebiets „Internetrecht“ drohen auch den Verfasser dieses digitalen Buchs zu überfordern. Es fällt sehr schwer, auf die Hybris zu verfallen, auf allen Gebieten des Internetrechts zu Hause sein zu wollen. Ich bitte daher den Leser – die Leserin – um Verzeihung, wenn die eine oder andere Information nicht mehr aktuell oder gar falsch sein sollte.“
Warum nun schreibe ich in einem Blog über PR-Themen einen Beitrag über Internetrecht? Noch dazu als juristischer Voll-Laie? Weil jeder PRler, der sich im Internet bewegt, diese Datei auf seinem Rechner gespeichert haben sollte. Nicht, um sie komplett zu lesen, sondern um ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was im Internet geht, und was nicht. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen ganz allgemein zu beachten sind.
Ein Beispiel: Ich bin Senior-Beraterin in einer Agentur und habe einen neuen Kunden, ein Start-Up in Gründung, der Hilfe bei folgenden Fragen benötigt:
- Unter welchen Web-Adressen sollte das Unternehmen erreichbar sein, welche Domain-Endungen gibt es, wer ist für die Vergabe zuständig, und was, wenn eine wichtige Domain vergeben ist?
- Auf der neuen Website sollen als Service für Kunden einige Fachartikel publiziert werden, die in Zeitschriften erschienen sind, außerdem einige Online-Artikel. Darf man das überhaupt und wenn ja, in welcher Form?
- Einen kurzen Unternehmensfilm hat ein Mitarbeiter gedreht, der ein versierter Hobbyfilmer ist. Das Video soll mit einem Stück von Jean Michel Jarre unterlegt werden. Und was ist mit GEMA-Gebühren?
- Der Geschäftsführer hat für ein Eröffnungsangebot einen E-Mail-Verteiler zusammengestellt und plant ein großes Mailing. Kommt danach gleich die erste Abmahnung?
Dies sind nur einige wenige Beispiele, in deren Kontext auch Rechtsfragen einen PRler beschäftigen können. Natürlich gibt es für viele Dinge ohnehin Fachleute, die man hinzuziehen muss, Webdienstleister, SEO-Experten, Künstleragenturen; und wenn es hart auf hart kommt, z.B. in einem Domain- oder Markenrechtsstreit, die Juristen selber. Trotzdem die Empfehlung, das Skript von Professor Hoeren einmal komplett zu überfliegen und herauszufiltern, wo im Rahmen des eigenen Arbeitsumfeldes – sei es in Agentur oder Kommunikationsabteilung – rechtliche Fallstricke liegen könnten. Es ist gut und anschaulich geschrieben, und über die ganzen erwähnten Paragraphen und Literaturangaben darf man als Laie auch einfach hinwegscrollen!
Und hier gibt es das PDF zum kostenlosen Download.
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