Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation

Jennifer Ruge im Gespräch mit einem afghanischen Übersetzer.

Jennifer Ruge im Gespräch mit einem afghanischen Übersetzer.

„Interkulturelle Kompetenz“ wird neben der „sozialen Kompetenz“ häufig in Stellenanzeigen als überfachliche Kompetenz gefordert. Auch gerade vor dem Hintergrund international wirtschaftlicher Verflechtungen und zunehmend multikultureller Zusammensetzung von Teams erscheint diese Kompetenz notwendiger denn je.

Interkulturelle Kompetenz als Voraussetzung für erfolgreiche Kommunikation

Vor allem in unserem Berufsfeld ist interkulturelle Kompetenz unabdingbar. Sie ist die notwendige Voraussetzung, um eine erfolgreiche, also für beide Seiten zufriedenstellende Kommunikation zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu führen.
Die Interkulturelle Kompetenz ist jedoch nicht angeboren, sondern vielmehr das Resultat eines Lern- und Entwicklungsprozesses. Und: Sie setzt vor allem eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit anderen Kulturen voraus. Sie basiert auf einer Grundhaltung kultureller Wertschätzung.
Als Kommunikationsberaterin, die im internationalen Umfeld arbeitet, ist interkulturelle Kompetenz für mich eine Schlüsselkompetenz.

Erhöhte Selbstreflektiertheit

Jeder Auftraggeber oder Klient ist einzigartig. Berater müssen individuelle Unterschiede erkennen, respektieren und auf diese eingehen. Internationale Beratung erfordert jedoch auch eine erhöhte Selbstreflektiertheit. Es ist sinnvoll, sich vor dem Beratereinsatz die Frage zu stellen, aus welchem kulturellen Umfeld man selbst entstammt. Was hat einen geprägt? Womit identifiziere ich mich?

Blond, jung und weiblich

Im Jahr 2011 war ich als Presseoffizier der Bundeswehr in Afghanistan. Hier habe ich unter anderem Journalisten im afghanischen Umfeld begleitet. Wir waren beispielsweise mehrere Wochen mit der afghanischen Armee unterwegs. In einem Land, in dem man Frauen auf den Straßen seltener begegnet. In einem Land, in dem Frauen häufig verschleiert in der Öffentlichkeit auftreten.
Ich war Ende zwanzig, war und bin immer noch blond, hatte langes, wenn auch geschlossenes Haar und fiel somit in dem Umfeld auf wie ein bunter Hund. Einige Vorgesetzte hatten Bedenken, ob ich diesen Job übernehmen könne oder ob es kulturell unsensibel wäre. Das vorweg: Dies war es nicht.
Es war zunächst nicht einfach; afghanische Offiziere reichten mir nicht die Hand und schauten mir nicht in die Augen, wenn wir miteinander sprachen. In Deutschland würde das als Unhöflichkeit gedeutet werden – in Afghanistan nicht.
Einige afghanische Männer machten heimlich Fotos von mir, andere posierten gerne mit mir und „umlagerten“ mich. Gemein war ihnen, dass sie nicht verstanden, warum ich in Afghanistan arbeite und nicht zu Hause bei meinem Mann und meinen Kindern bin, die ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht hatte.
Aber insgesamt respektierten mich die Männer. Mein Rat, den ich nur sehr dosiert, doch trotzdem nachhaltig geben konnte, wurde dankbar angenommen. Kulturelle Unterschiede waren beiden Seiten bewusst – wir respektierten sie, konnten uns so aufeinander einlassen und Erfolge erzielen. Der afghanische Offizier verabschiedete mich letztlich mit einem Händedruck und dem Dank, dass ich als Frau, trotz meiner Verpflichtungen als Ehefrau und Mutter in Deutschland die Reise nach Afghanistan auf mich genommen habe.

Vorbereitung als Schlüssel zum Erfolg

Ich habe mich auf diese Situation gut vorbereitet. Ich bin Diplom-Pädagogin mit der Spezialisierung auf Erwachsenenbildung. Ich habe Beratungspsychologie studiert und bei der Bundeswehr viele Trainings zur Schulung der interkulturellen Kompetenz durchlaufen. Ich habe mich mit der eigenen sowie der afghanischen Kultur beschäftigt und mögliche Problemfelder identifiziert. Interkulturelle Kompetenz ist erlernbar. Und der Auslandseinsatz hat bei mir viel zu diesem Entwicklungsprozess beigetragen.

Interkulturelle Kompetenz heißt nicht Haare färben

Als PR- und Kommunikationsberaterin bin ich mittlerweile freiberuflich unterwegs und habe auch tunesische Pressestellen verschiedener Ministerien beraten. Auch hier hatte der Auftraggeber zunächst die Sorge, ich sei zu jung und zu blond. Doch interkulturelle Kompetenz heißt nicht sich die Haare zu färben. Die Kommunikationsberatung in den Pressestellen war nicht immer einfach, das lag aber weder an meinem Alter, noch an meiner Haarfarbe. Sondern vielmehr an meinen zu hohen und wahrscheinlich ziemlich deutschen Erwartungen.
Die zu Beratenden haben im Vorfeld ihren Beratungsbedarf kommuniziert und uns angefordert. Doch während der Analyse und auch der Beratungsphase stellten die PR-Verantwortlichen immer wieder klar, dass sie bereits alles könnten, dass sie es so durchführen, wie der jeweilige Minister es wünscht oder dass die Rahmenbedingungen einfach so katastrophal seien (vor allem finanziell). Nicht gerade die beste Ausgangssituation für mich. Die Fortschritte zwischen den Beratungseinheiten hielten sich somit – wie erwartet – in Grenzen. Eigentlich ging es mir alles nicht schnell genug, es wurde nicht gründlich genug gemacht und ich stellte mir die Frage, ob sich meine Mühen überhaupt auszahlen werden.
ABER: Gut Ding will in Tunesien eben Weile haben, und der Wortwahl und Körpersprache zu arabischen Geschäftspartnern kommt eine enorme Bedeutung zu. Ein Drängen auf Entscheidungen oder Umsetzungen würde zu einer schlechten persönlichen Beziehung führen, auch wenn deutsche Berater in Tunesien willkommen sind und die Tunesier eher modern und weltoffen agieren.
Es schadet also nicht, sich auch vor, während und nach einer Beratung die eigenen kulturellen Voraussetzungen immer wieder vor Augen zu führen.

Jennifer Ruge, Absolventin des Masterstudiengangs "PR und Integrierte Kommunikation"Die Autorin: Jennifer Ruge ist freie Kommunikationsberaterin. Neben der klassischen PR-Arbeit gehört zu ihren Schwerpunkten die Beratung im internationalen Kontext sowie die Erstellung von Artikeln und Redemanuskripten. Jennifer Ruge war zuvor Offizier und Pressesprecherin bei der Bundeswehr. 2011 war sie in Afghanistan stellvertretende Leiterin einer NATO-Pressestelle.
Als Kommunikationsberaterin war sie beispielsweise in Tunesien in verschiedenen Ministerien tätig und führte Krisenkommunikationsworkshops durch.
Jennifer Ruge ist Diplom-Pädagogin mit den Schwerpunkten Erwachsenenbildung und Beratungspsychologie. Sie schloss den Masterlehrgang „PR und Integrierte Kommunikation“ [heute „Strategische Kommunikation und PR“] der Donau-Universität Krems mit Auszeichnung ab.
Kontakt per E-Mail an ruge.jenny[at]googlemail.com.

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