„Der Umgang mit Beziehungskapital ist modernes Stakeholder-Management.“

Peter-Szyszka-DAPR-Team

„Dozenten im Porträt“ heute mit Prof. Dr. Peter Szyszka, der morgen und übermorgen im zweiten Basismodul unserer Master-Lehrgänge unterrichtet.

Quo vadis, Integrierte Kommunikation?

DAPR: Prof. Szyszka, Sie unterrichten in unseren Master-Lehrgängen die „Theorien und Modelle der Integrierten Kommunikation“, und damit ein Trendthema, glaubt man dem „DPRG-Honorar- und Trendbarometer 2015„. Befragt nach aktuellen Trends in der PR, landeten Content Marketing und Storytelling wenig überraschend auf Platz 1. Dahinter: Integrierte Kommunikation, als Trend eingeschätzt von 51,4 % der befragten PR-Agenturen und 64 % der Unternehmen. Wie bewerten Sie das?

Prof. Dr. Peter Szyszka: Wer Integrierte Kommunikation oder auch Corporate Communication als „Trendthema“ bezeichnet, übersieht, dass dies schon seit 20 Jahren eines der zentralen Zukunftsthemen der Branche ist. Der Trend hält also schon lange an. Oder umgekehrt: Was sich in der Theorie schlüssig und Zitat Prof. Szyszka: Stakeholder-Integration ist eine dringende Notwendigkeit.einleuchtend formulieren und begründen lässt, ist in der Praxis bis heute nicht ausreichend angekommen. Wenn der Ex-BP-Chef Lord Browne im PR Report mit der Bemerkung zitiert wird, dass Unternehmen eine Schnittstelle zu den Medien benötigten, die nicht an der Realität des unternehmerischen Handelns vorbei geht, und sie zuwenig davon verstünden, wie sie die Teilbereiche der Gesellschaft beeinflussen können, mit denen sie in Berührung kommen (Nr. 11/15, S. 4), dann trifft das den Kern: Bei integrierter Kommunikation geht es schon lange nicht mehr um klassische Öffentlichkeitsarbeit und das ‚Bespielen‘ von Medien, sondern um eine substanzielle Auseinandersetzung mit Stakeholdern und modernes Stakeholder-Management – nur ist der damit verbundene unternehmenspolitische Mehrwert in den Köpfen des Managements vieler Unternehmen bislang nicht angekommen, siehe z.B. im aktuellen VW-Fall. In den 1980er-Jahren war „Gesamtkommunikation“, wie dies damals hieß, eine Vision, heute in der modernen Medien- und Netzöffentlichkeit ist Stakeholder-Integration – eigentlich – eine dringende Notwendigkeit.

DAPR: Ist man sich darüber, was Integrierte Kommunikation ausmacht, in der PR-Wissenschaft einig? Dass es nicht das eine Modell gibt, suggeriert der Titel Ihrer Lehrveranstaltung.

Prof. Dr. Peter Szyszka: Wer die Diskussion um Integrierte Kommunikation nachvollzieht, wird schnell sehen, dass dort zwei Zugänge scheinbar konkurrieren: ein managementbezogener Ansatz, der in Richtung Stakeholder-Management weist, und ein marketinggetriebener Ansatz, der Integration als Marketingfunktion einstuft. Da treffen, wenn man so will, eine umfeldorientierte und ein absatzorientierte Sichtweise aufeinander. Beide Sichtweisen konkurrieren aber nicht, wie gerne dargestellt, sondern gehören zusammen, denn der Prozess des Wirtschaftens lässt sich nicht wirklich von den Bedingungen des Wirtschaftens abgekoppelt betrachten und umgekehrt. Werden beide Perspektiven zusammenführt, landet man bei einem Modell von Stakeholder-Management, in dem Kommunikation für die Beziehungen eines Unternehmens zu den relevanten Gruppen des Umfelds steht und Mittel zum Umgang mit diesen Beziehungen ist.

DAPR: Wie sieht es demgegenüber in der Praxis aus, wie findet Integrierte Kommunikation heute in der Unternehmens- oder Organisationskommunikation ihre Anwendung?

Prof. Dr. Peter Szyszka: In der Schweiz gibt es seit vielen Jahren den Harbour Club, einen Zusammenschluss von Chief Communication Officers, deren Selbstverständnis sich etwa so beschreiben lässt. So etwas würde ich mir in Deutschland auch wünschen, denn es würde den Sachverhalt sichtbarer machen und die Diskussion erleichtern. CCOs als Leiter von Integrierter Kommunikation oder Corporate Communication sind diesem Verständnis nach, das ich ausdrücklich teile, Anwälte in Sachen kommunikativer Konsequenzen potenzieller wie umzusetzender und umgesetzter unternehmenspolitischer Entscheidungen. Sie loten auf der Ebene von Legitimität Entscheidungs- und Handlungsspielräume aus und gehen mit den Folgen um. Sie passen ein Unternehmen in dessen gesellschaftliches Umfeld ein. So definieren übrigens auch populäre amerikanische PR-Definitionen wie Long & Hazleton (1987) die Funktion von PR. Bei Volkswagen hat es so etwas offenbar so in der jüngeren Vergangenheit nicht gegeben, weil dort offensichtlich unternehmenspolitisch ein Selbstbewusstsein von Größe, Stärke und Macht vorgeherrscht hat, jedenfalls zeichnen die Leitmedien im Abgas-Skandal ein derartiges Bild. Kleinere Unternehmen, die sehr viel näher und enger mit ihrem Umfeld verbunden sind, kommen gar nicht umhin, sich in ihr soziales Umfeld einzupassen und damit Integrierte Kommunikation zu leben, um überlebens- und entwicklungsfähig zu sein. Nur heißt dies dort in den meisten Fällen nicht so.

DAPR: Mit der Integrierten Kommunikation haben Sie sich im Laufe Ihrer Karriere als selbstständiger Berater, in der Organisationskommunikation und insbesondere an den Hochschulen, an denen Sie tätig waren, stets beschäftigt. Können Sie uns kurz schildern, was Ihre aktuellen Interessens- bzw. Forschungsschwerpunkte sind?

Prof. Dr. Peter Szyszka: Wenn man das gerade Skizzierte konsequent weiterdenkt, landet man bei den Fragen, was prägend für die Beziehungen eines Unternehmens zu den verschiedenen Gruppen in dessen Umfeld ist, Zitat Prof. Szyszka: Der gezielte Umgang mit Beziehungskapital ist nichts anderes als ein soziales Risk Management.welchen Einfluss die Bedingungen des Wirtschaftens auf den Prozess des Wirtschaftens nehmen, wie hiermit umzugehen ist und wie sich hierauf Einfluss nehmen lässt. Wir bezeichnen den Kern des Ganzen als Beziehungskapital, das in den Beziehungen ‚eingelagerte‘ Kapital, dessen Verfügbarkeit entscheidenden Einfluss darauf nimmt, in welchem Umfang ein Unternehmen Umsätze und Erträge generieren und am Ende am Markt erfolgreich sein kann. Der gezielte Umgang mit Beziehungskapital ist nichts anderes als ein soziales Risk Management, das sich mit den kritischen Akzeptanzfaktoren auseinandersetzt, von denen am Ende der ökonomische Erfolg abhängt: keine Hinwendung ohne Wertschätzung, ohne Wertschätzung keine Wertschöpfung. Eigentlich eine ganz einfache Formel. Wir haben hier in den vergangenen Jahren Modelle und Verfahren entwickelt, um Beziehungskapital darstellen, bewerten und systematisch bewirtschaften zu können. Das klassische Kommunikationsmanagement hat dabei einen neuen, unternehmenspolitisch schlüssiger zu verortenden Rahmen bekommen. Der Umgang mit Beziehungskapital ist modernes Stakeholder-Management.

DAPR: Abschließend noch eine ‚Frage in eigener Sache‘: Sie sind wissenschaftlicher Leiter der DAPR. Was motiviert Sie zu diesem Engagement?

Prof. Dr. Peter Szyszka: In der Weiterbildungsarbeit hat mich die Zusammenarbeit mit meinem leider viel zu früh verstorbenen Kollegen und Freund Hans Eisele stark geprägt. Hans Eisele hat Menschen zusammengeführt, mit ihnen versucht, Zukunftsperspektiven auszuloten und dann in Entwicklung und Weiterentwicklung entsprechender hochwertiger Bildungsprogramme investiert. Er wollte dem selbstgefälligen Zeitgeist der Branche immer mindestens einen Schritt voraus sein. Diesen Geist, weiter und besser zu sein als die Konkurrenz, hat die Mannschaft der DAPR auch. Deshalb macht es Spaß, mich hier mit meinen Ideen und Erfahrungen einzubringen.

DAPR: Herr Prof. Szyszka, vielen Dank für das Gespräch!

Vita: Prof. Dr. Peter Szyszka ist wissenschaftlicher Leiter der DAPR und Professor für Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement an der Hochschule Hannover (HsH). Anfang der 2000er-Jahre hat er das Institut für Kommunikationsmanagement an der Hochschule Osnabrück/Lingen aufgebaut. Danach war er über sieben Jahre im deutschsprachigen Ausland an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften in Winterthur (CH) und der Universität Wien (A) tätig. Forschungs- und Beratungsschwerpunkt: Beziehungskapital und Stakeholder-Management.

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