„Die Reputation der Betroffenen schützen“ – Susanne Kleiner über Litigation-PR

Susanne Kleiner, Dozentin bei der DAPR

Susanne Kleiner ist neu im Dozenten-Team und unterrichtet in unseren Master-Lehrgängen „Mediales Krisenmanagement und Litigation-PR“. Im Interview erklärt sie uns, was gute Litigation-PR ausmacht.

DAPR: Frau Kleiner, Ihr Unterrichtsthema klingt zunächst einmal recht speziell. Können Sie den Begriff einordnen?

Susanne Kleiner: Recht speziell ist treffend formuliert. Bei Litigation-PR geht es nämlich um die strategische Kommunikation im Kontext rechtlicher Auseinandersetzungen. Diese junge Disziplin ist so relevant, weil Wirtschaftsverfahren zunehmen. Medien stürzen sich auf Themen rund um Recht und Gerechtigkeit. Und die Online-Community befeuert die öffentliche Schlacht rege. Sehr schnell stehen die Betroffenen am Pranger. Eine Nachricht wie „Die Staatsanwaltschaft ermittelt“ heizt die Vorverurteilung an. Die Berichterstattung geschieht oft einseitig. Das passiert auch dann, wenn sich die Unschuld der Beklagten herausstellt. Denn es bleibt immer etwas hängen. Das Ziel der Litigation-PR ist es, die Reputation der Betroffenen zu schützen. Das funktioniert, wenn Prozesse bestenfalls gar nicht bekannt werden oder wenn chancengleich berichtet wird. Und genau hier setzen PR-Berater an, die sehr eng mit Rechtsanwälten und deren Mandanten zusammenarbeiten und den Fall medientauglich aufbereiten. Urteile werden heute eben nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch im ‚Gerichtssaal der öffentlichen Meinung‘ gefällt. Das kann existenzielle Auswirkungen auf Organisationen und Personen haben – ganz unabhängig von der richterlichen Entscheidung. Deshalb ist die rechtsstreitbegleitende Öffentlichkeitsarbeit Teil des Reputationsmanagements. Und sie ist natürlich eng mit der Krisen-PR verwandt, wenn auch mit deutlichen Unterschieden in der praktischen Umsetzung.

DAPR: Können Sie uns Beispiele aus der Praxis nennen, in denen ein Kommunikator schneller als gedacht mit dem Thema in Berührung kommt?

Susanne Kleiner: Verdachtsmomente reichen aus, um Journalisten oder die Online-Community zu aktivieren. Etwa suchen Mitarbeiter, die Missstände anprangern und intern kein Gehör finden, anonym den Weg in die Öffentlichkeit und veröffentlichen ‚geheime‘ Dokumente. Auch Rufmord-Kampagnen werden gezielt lanciert, um Wettbewerber oder Gegner zu demontieren. Genauso können Falschbehaupten jeglicher Couleur in den sozialen Medien Kommunikatoren herausfordern: Dann dauert es nicht lange, bis erste Presseanfragen eingehen. Weitere folgen. Mitarbeiter sind verunsichert. Die Familie der Betroffenen leidet mit. Die Spirale lässt sich beliebig weiter drehen. Kommunikatoren werden in Zukunft in Unternehmen noch mehr gefragt sein, potenzielle Szenarien unternehmensstrategischer Entscheidungen vorwegzunehmen. Denn das öffentliche Ansehen ist als immaterieller Vermögensgegenstand sehr wertvoll – und gleichzeitig in unserer Mediengesellschaft extrem fragil. Hier sind Unternehmensspitzen gefordert, sich PR-Kompetenz an die Seite zu stellen. Ein plakatives Beispiel ist Jack Wolfskin. Das Outdoor-Bekleidungsunternehmen mahnte handarbeitende Frauen wegen Markenverletzung ab. Die Damen boten online ihre Produkte feil, die mit selbst gemachten Tatzen bestückt dem Logo glichen. Ein Stein des Anstoßes, der jedoch eine gewaltige Welle der öffentlichen Empörung nach sich zog. Dieser Fall zeigt: reputationsbewusste Unternehmen wägen präventiv ab, ob rechtliche Schritte einen möglichen massiven Reputationsschaden rechtfertigen.

DAPR: Ihr Seminartag zur Litigation-PR ist Teil des Moduls „Krisenkommunikation und -Management“. Wie hängt mediales Krisenmanagement mit Litigation-PR zusammen?

Susanne Kleiner: In der Krise gilt es schnell, klar und wahr zu kommunizieren, aufzuklären und dialogbereit zu sein. Auch die Litigation-PR empfiehlt, dass Organisationen oder Personen schnell und klar Position beziehen. Schlüsselbotschaften haben eine enorme Kraft. Bei Verteidigungsmandaten geht es in erster Linie darum, Zurückhaltung zu inszenieren und die Berichterstattung zu vermeiden. Denn Litigation-PR bewegt sich von Anbeginn in einem negativen Kontext, ganz gleich, ob die Vorwürfe berechtigt oder unberechtigt sind. Verstärkend kommt hinzu, dass kriminelle Vergehen die soziale Reputation massiv verletzt. Das heißt: Werte und Normen werden missachtet und setzen Vertrauen außer Kraft; Während Krisen auch auf Naturgewalt, menschlichem Versagen oder erklärbaren Kompetenzschwächen beruhen können, nagen strafrechtliche Delikte an diesen sensiblen Werten, die nur sehr schwer zu kitten sind. So ist Litigation-PR eine sehr feinfühlige und vorausschauende ‚Spielart‘ des medialen Krisenmanagements – und zieht sich oft in die Länge. Neue Wendungen von Gerichtsverfahren beleben die Berichterstattung aufs Neue. Das zeigt auch Uli Hoeneß vorzeitige Entlassung sehr deutlich.

DAPR: Sie sind ja von Haus aus BWLerin, waren lange angestellt und haben sich schließlich selbstständig gemacht. Was hat Sie in die PR geführt und wie haben sich Ihre Schwerpunkte herausgebildet?

Susanne Kleiner: PR lebt von einem wachen Verstand und einem warmen Herzen. Kompetenzen sind das eine. Beziehungen das andere. Meine Kontaktfreude und die Begeisterung für Texte, Sprachen und komplexe Kommunikationsaufgaben haben mich in die PR geführt. Ich lebe diesen Beruf aus Leidenschaft, noch mehr seit ich selbstständig bin und so vielfältig eingesetzt werde. Als Mediatorin, Trainerin und Coach unterstütze ich Menschen mental und emotional, die in Krisensituationen extrem unter Druck stehen und Entlastung brauchen. Fingerspitzengefühl ist hier neben all der strategischen Linie sehr, sehr wichtig. Das macht mir sehr viel Spaß. Und PR ist ein breites Feld, das sich sehr stark gestalten lässt. Mein Schwerpunkt der Litigation-PR hat sich herausgebildet, weil ich als Angestellte eng mit Anwälten zusammenarbeitete, Krisen-Projekte verantwortete und schnell verstanden habe, wie wertvoll eine klare Kommunikation ist. Deren Wirkungskraft beeindruckt mich bis heute. Als Gründerin habe ich Seminare angeboten, um mich bekannt zu machen. Interaktiv zu arbeiten und selbst von den Teilnehmern viel zu lernen, hat mich motiviert, weitere Trainingsformate zu entwickeln und mein Angebot auszuweiten. Von der Kombination zwischen Beratung und Training & Coaching profitieren meine Kunden und nicht zuletzt ich selbst, weil ich Abwechslung liebe.

DAPR: Frau Kleiner, herzlichen Dank für das Gespräch!

Susanne Kleiner, Dozentin bei der DAPRVita: Susanne Kleiner, Communications MSc, arbeitet seit 2010 als selbstständige PR-Beraterin und Trainerin (dvct) in München. Ihre berufliche Laufbahn begann sie im Allianz Konzern, zuletzt in der Unternehmenskommunikation der Immobiliengesellschaft. Susanne Kleiner ist studierte Diplom-Betriebswirtin (BA) und ausgebildete PR-Beraterin (DPRG). Ihre Master Thesis „Litigation-PR für Topmanager“ wurde 2011 mit dem PRVA-Wissenschaftspreis (1. Preis) ausgezeichnet. Mit der Forschungsarbeit an der Donau-Universität Krems hat sie sich erfolgreich auf Litigation-PR spezialisiert. Die strategische Kommunikation in rechtlichen Auseinandersetzungen, Krisen und Konflikten bildet neben Konfliktmanagement und Mediation einen wichtigen Schwerpunkt ihrer Beratungstätigkeit. Als Trainerin und Coach vermittelt sie Gruppen und Einzelpersonen im deutschsprachigen Raum mediale und persönliche Kommunikationskompetenzen.

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